Burgwerksrain Kassel: Rede von Michael Kunkel

Rede des CDU-Fraktionsvorsitzenden zum Tagesordnungspunkt  Bebauungsplan „Erweiterung Burgwerksrain“ – Sachstand 

Sitzung der Biebergemünder Gemeindevertretung vom 08. Juli

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, 

die Gemeindevertretung soll heute über den Tagesordnungspunkt „Erweiterung Burgwerksrain“ erneut beraten und beschließen. Dieses Thema beschäftigt die gemeindlichen Gremien nunmehr schon seit einigen Jahren und nicht zuletzt in der gemeinsamen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses und des Bauausschusses in der vergangenen Woche, aus der wir die vorliegende Beschlussvorlage erhalten haben. 

Auf Basis dieses Beschlussvorschlages trifft unsere Gemeindevertretung in seiner jetzigen Zusammensetzung aus heutiger Sicht eine Entscheidung, die nicht unbedingt unbefristet gelten muss. Gestaltungsmöglichkeiten bleiben durchaus, und das kann die nächste oder übernächste Gemeindevertretung dann gerne wieder tun und Überlegungen anstellen, ob eine Flächenausweitung bzw. eine Entwicklung eines Baugebietes Burgwerksrain dann wieder ins Auge gefasst werden soll. 

Die heutige Entscheidung aber ist ein Beschluss aufgrund der vorliegenden Dokumente und Untersuchungen, der damit in Verbindung stehenden erheblichen zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Gemeinde und folglich auch für jeden einzelnen Bewohner von Biebergemünd, sowie der erfolgten Diskussionen und der politischen Meinungen der einzelnen Fraktionen. 

Wir haben uns seitens der CDU-Fraktion lange Jahre für die Realisierung bzw. Erweiterung des Baugebietes Burgwerksrain ausgesprochen. Fraktionsintern haben wir dabei sehr kontrovers diskutiert und nach Realisierungsmöglichkeiten gesucht. Nicht zuletzt haben wir mit dem erneuten Prüfauftrag an die Gemeindeverwaltung in Bezug auf eine alternativen Erschließungsmöglichkeit zur dem seinerzeit geplanten Brückenbauwerk nochmals versucht alle Möglichkeiten auszuschöpfen. 

Mit der Zeit und den nun vollständig vorliegenden Unterlagen hat sich unsere Sichtweise nun geändert. Umdenken ist angesagt. Wir müssen nach Alternativen suchen, um für die Bürgerinnen und Bürger in Biebergemünd Angebote für Wohnraum oder Baugrund anzubieten. Der permanente Flächenfraß und die Versiegelung von Flächen muss reduziert werden, nicht zuletzt auch unter den Vorzeichen des Klimawandels. Darüber hinaus schwindet auch in der Bevölkerung von Biebergemünd zunehmend das Verständnis für weitere Bauflächen am Ortsrand. Eine weitere Ausweitung möglicher Wohngebiete in dieser Größenordnung ist vielleicht auch mit Blick auf die demografische Entwicklung im ländlichen Bereich nicht erstrebenswert. 

Die CDU-Fraktion spricht sich daher heute eindeutig für eine innerörtliche Verdichtung aus und wir sollten seitens der Gemeindeverwaltung und den politischen Gremien alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, die bisher vorhandenen unbebauten Flächen zu bebauen bzw. leerstehende Gebäude einer anderen Nutzung zuzuführen. Hier halten Eigentümer die Grundstücke für nachfolgende Generationen zurück oder spekulieren auf Wertsteigerung. Damit wird Baugrund dem Markt entzogen. Eine Ausweitung auf immer neue Flächen ist daher keine akzeptable Lösung. 

Es geht um Innenentwicklung und Ortskernsanierung und wie wir es schaffen, Baulücken zu aktivieren. Es geht um den gemeindlichen Willen und die gemeindliche Verantwortung für eine gute Ortsentwicklung und die damit verbundene Verantwortung in unserer Gemeinde, sich den strukturellen Herausforderungen zu stellen. Es geht auch darum, dass wir uns mit dem Ausweis von weiteren Bauflächen am Ortsrand dem Risiko aussetzen, den ursprünglichen Charakter unserer einzelnen Ortsteile preiszugeben. 

Vitale Ortskerne führen zu vitalen Dörfern und vitale Dörfer sind lebenswerte Orte für die Menschen in unseren Gemeinden, in Biebergemünd. Die Gründe, weshalb es sich lohnt, Innenentwicklungspotentialen, Brachflächen und Nachverdichtungspotentialen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, sind demnach vielfältig und bedürfen nicht der weiteren Erörterung. Grundlage für die Steuerung in diesem Bereich sind die Zugriffschancen der Gemeinde auf Grundstücke und der Weiterverkauf der Grundstücke nach Zwischenerwerb nur mit einer Bauverpflichtung, um eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik zu betreiben. 

Die Umsetzung einer solchen Wohnungspolitik erfordert in der Regel einen langen Atem. Und sie bedarf eines „Kümmerers“. Wir sind davon überzeugt, dass Innenentwicklung und Ortskernvitalisierung nur in enger Abstimmung und Kommunikation mit dem Bürger gelingt. Das gelingt nur, wenn der Bürgermeister das Thema zur Chefsache macht. Hierbei denken wir insbesondere an die Entwicklung des Areals „Schollese Mühle“. 

Zusammenfassend müssen wir als CDU-Fraktion feststellen, dass sich zwischenzeitlich die Rahmenbedingungen für die Erweiterung des Baugebietes Burgwerksrain grundlegend verändert haben. 

1. Hohe Kosten für Erschließungsstraßen und Infrastruktur 

  • Die Erschließungsstraße und sonstige notwendige Infrastrukturmaßnahmen (wie Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Straßenbeleuchtung) verursachen erhebliche Kosten, die die Gemeinde aktuell nicht tragen kann. Diese Kosten wären mit hohen Investitionen und langfristigen Belastungen des Haushalts verbunden. 
  • Die Kosten komplett an die Eigentümer oder Anlieger weiterzugeben ist nicht möglich und entspricht auch nicht den Richtlinien der Gemeinde. 

2. Angespannte Finanzlage der Gemeinde 

  • Die Gemeinde befindet sich in einer angespannten finanziellen Lage. Aufgrund der bestehenden Haushaltslage wären Investitionen in die Erschließung und die Umsetzung des Bebauungsplans kaum verantwortbar. 
  • Ein Anstieg der Gemeindeverschuldung zur Finanzierung dieser Maßnahme könnte die finanzielle Stabilität der Gemeinde gefährden, was langfristige Auswirkungen auf die Erfüllung anderer kommunaler Aufgaben hätte. 
  • Eine Verschiebung oder ein Stopp der Maßnahmen könnte eine verantwortungsvolle Reaktion auf die finanzielle Situation darstellen und die Belastung der Gemeindekasse reduzieren. 

3. Hohe und unvorhersehbare Kostensteigerungen 

  • Die Bau- und Materialkosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen, und die zukünftige Kostenentwicklung ist aufgrund von Inflation, Materialengpässen und Lohnsteigerungen schwer vorhersehbar. Dies erschwert eine verlässliche Planung und könnte dazu führen, dass der ursprüngliche Kostenrahmen des Bebauungsplans stark überschritten wird. 
  • Eine Umsetzung des Bebauungsplans unter diesen Bedingungen könnte dazu führen, dass die Gemeinde weit höhere Kosten tragen muss als ursprünglich angenommen, was wiederum die finanzielle Stabilität in der ohnehin angespannten Haushaltssituation belastet. Hierbei geht es u.a. auch um die Kapazitäten der Kläranlage Wirtheim sowie der Wasserversorgung (die letzten Sommer waren sehr trocken und unsere Quellen haben nicht genügend Wasser gegeben). Eine Erweiterung dieser beiden Kapazitäten wäre mit erheblichen zusätzlichen Kosten für die Gemeinde verbunden. 

4. Ungewisse Nachfrage und langfristiger Nutzen des Projekts 

  • Sollte keine ausreichende Nachfrage für das Baugebiet bestehen oder die Marktentwicklung unsicher sein, könnte das finanzielle Risiko der Gemeinde steigen. Es wäre riskant, den Bebauungsplan ohne gesicherte Nachfrage und Finanzierung weiterzuverfolgen. Die Herstellungskosten für den Errichtung von Ein- oder Mehrfamilienhäusern werden weiter kontinuierlich steigen. Hinzu kommt im Burgwerksrain noch die Topografie des Geländes, welche mit ziemlicher Sicherheit zusätzliche Kosten für die Bauherren mit sich bringen wird. 
  • Wenn der Bebauungsplan zu einer Überkapazität oder geringen Auslastung der Infrastruktur führt, könnte dies langfristig zu weiteren Kosten führen, die den Nutzen des Projekts infrage stellen. 

5. Alternative Prioritäten und Bedarf an Flexibilität 

  • In Anbetracht der aktuell angespannten finanziellen Lage unserer Gemeinde und den aktuellen Rahmenbedingungen sollte die Gemeinde im Rahmen ihrer Prioritätenplanung flexibel bleiben, um auf die veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren. Besonders der Bau von seniorengerechten Wohnungen im Bestand oder soziale Wohnungsbauprojekte sollten in Zukunft seitens der Gemeinde im Fokus stehen. Hierbei müssen wir nur einen Blick auf den demografischen Wandel richten. Dieser ist im ländlichen Raum durch Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung gekennzeichnet, d.h. Rückgang der Einwohnerzahlen und Zunahme älterer Menschen. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, anhand der vorgenannten Punkte und der uns vorgelegten Finanziellen Betrachtung für das Neubaugebiet „Erweiterung Burgwerksrain“ müssen wir doch eigentlich erkennen, dass wir so in Zukunft keine neuen Baugebiete mehr in Biebergemünd planen und ausweisen können. 

Es gehört sicherlich zur Aufgabe einer Gemeinde, geeignete Flächen für die Ausweisung von Neubaugebieten zu benennen. Aber, hierfür ist es erforderlich, dass wir die dafür notwendigen Richtlinien zur Ausweisung von Baugelände inklusive den Flächenbeiträgen auch einer regelmäßigen Überprüfung und folglich einer Anpassung unterziehen. Neben den Erschließungsbeiträgen sind unseres Erachtens auch die Vergaberichtlinien mit den Punkten Verfahrens- und Vergabegrundsätze unbedingt zu überarbeiten. Bei diesen Kriterien sollte man zukünftig vielleicht auch mal darüber nachdenken, ob wir bei den Bewerbern für gemeindeeigene Bauplätze nicht eine Einkommensobergrenze einführen. Auf jeden Fall ist das derzeit gültige Verfahren zu überarbeiten. 

Spätestens mit der nun vorliegenden Finanziellen Betrachtung für das Neubaugebiet Burgwerksrain ist allen klar geworden, dass a) die Preise der Gemeinde für Bauland und b) die Flächenbeiträge dringend überarbeitet werden müssen. Es kann nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger von Biebergemünd die als Bauland zur Verfügung stehenden Flächen durch die Steuereinnahmen quersubventionieren. Es gilt für zukünftige Baugebiete die notwendige finanzielle Transparenz herzustellen und erst dann, wenn die Zustimmung und die Bereitschaft zum Verkauf der Flächen mit den entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben ist, diese zu entwickeln. Diese vorgenannten Punkte haben wir im Rahmen der gemeinsamen Ausschusssitzung bereits im Protokoll festgehalten, so dass wir seitens der CDU-Fraktion davon ausgehen, dass wir diese Themen auch zeitnah in den Ausschüssen beraten und beschließen werden. 

Insofern stimmen wir als CDU-Fraktion dem Beschlussvorschlag aus der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses sowie des Bauausschusses, den Satzungsbeschluss des Bebauungsplans „Erweiterung Burgwerksrain“ aufzuheben, zu. 

Ein Aufstellungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan hinsichtlich einer neuen Variante des Neubaugebietes Burgwerksrain ist für uns ebenfalls aus Kostengründen keine Alternative. 

Wir begrüßen außerordentlich den Auftrag, im Rahmen einer städtebaulichen Prüfung zur Aufarbeitung möglicher Wohn- und Baukonzepte. 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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